Bart De Wever, der voraussichtlich nächste Premierminister Belgiens, plant, die Laufzeiten mehrerer Kernkraftwerke um zehn Jahre zu verlängern. Diese Entscheidung überrascht viele, da er noch keine Koalition gebildet hat. Seine Pläne umfassen auch die Prüfung einer Laufzeitverlängerung älterer Reaktoren, die eigentlich nächstes Jahr stillgelegt werden sollten. Insgesamt sind derzeit fünf Reaktoren in Belgien aktiv. De Wever hat den Energiekonzern Engie über seine Absichten informiert. Er möchte sich „maximal“ für die Kernkraft einsetzen. Diese Ankündigung erfolgt kurz nach seiner Ernennung zur Regierungsbildung durch den belgischen König. Trotz der politischen Unsicherheit nach den Wahlen scheint klar, dass die Grünen, die Kernkraft kritisch gegenüberstehen, nicht an der zukünftigen Regierung beteiligt sind (welt: 15.07.24).
Belgien setzt auf Atomkraft: De Wever plant drastische Verlängerungen und kritisiert Deutschlands Ausstieg
De Wevers Vorstoß kommt nicht überraschend. Er hat sich stets für die Atomkraft ausgesprochen, auch als ein Ausstiegsbeschluss galt. „Ein Ausstieg ist keine gute Idee“, betonte er bei einem Besuch in Doel vor vier Jahren. Später kritisierte er in einer Fernsehdiskussion auch Deutschland scharf: „Deutschland und Belgien schwimmen gegen den Strom. Das ist einfach dumm.“
Er bezieht sich auf eine Studie des Netzbetreibers Luminus, die einen stark steigenden Stromverbrauch durch die Elektrifizierung verschiedener Sektoren vorhersagt. Solar- und Windkraft allein könnten diesen Bedarf nicht decken. Ergänzende Gaskraftwerke seien aufgrund der Klimaproblematik keine Lösung. Ursprünglich sollten alle belgischen Kernkraftwerke bis 2025 abgeschaltet werden. Doch die abgewählte Regierung unter Alexander De Croo hatte bereits entschieden, Tihange 3 und Doel 4 bis 2035 weiter zu betreiben. De Wever geht nun noch weiter und plant eine Verlängerung um ein weiteres Jahrzehnt sowie eine Prüfung für drei weitere Reaktoren.
Sollte diese Verlängerung umgesetzt werden, würde Belgien über rund vier Gigawatt Kernkraft verfügen, was eine Verdoppelung des bisherigen Plans darstellt. Doel 3 und Tihange 2, die viel Kritik aus Deutschland erhielten, bleiben jedoch stillgelegt.
Zukunft der Atomkraft: Belgien plant Verlängerungen und Neubauten trotz ungewisser Regierungsbildung
Ob eine neue Regierung diese Pläne umsetzen kann, bleibt ungewiss. Ein Erfolg der komplexen Koalitionsverhandlungen ist Voraussetzung. Auch die nationale Nuklearaufsichtsbehörde FANC muss einen Weiterbetrieb genehmigen. Staatliche Unterstützung und die Zustimmung der EU-Kommission sind ebenfalls notwendig. Der Stromversorger Engie hat bereits vorteilhafte Konditionen für die erste Stufe der zur Verlängerung der Laufzeiten ausgehandelt. Beobachter vermuten, dass Engie nicht bereit ist, dieses Paket erneut aufzuschnüren. De Wever versucht jedoch, Engie auf die neue Richtung einzustimmen, um spätere Ausreden zu vermeiden.
Belgien folgt einem internationalen Trend. In den Niederlanden kommt es ebenfalls zu einer Neubewertung der Kernkraft. Die Regierung plant den Bau neuer Reaktoren. Eine Umfrage zeigt, dass 36 Prozent der Niederländer inzwischen eine Ausweitung der Atomkraft unterstützen. Vor drei Jahren lag der Anteil der Skeptiker noch bei 25 Prozent. Besonders positiv eingestellt sind die Einwohner von Zeeland, wo der Forschungsreaktor Borssele steht.
Zukunftsaussichten der Kernkraft in den Niederlanden
Skeptiker zweifeln jedoch an den wirtschaftlichen Vorteilen der hohen Investitionen. Derzeit trägt Borssele nur drei Prozent zur Stromversorgung bei. Laut dem nationalen Energieplan (NPE) soll die nukleare Erzeugungskapazität bis 2037 durch zwei Neubauten von 0,5 auf 7,0 Gigawatt steigen. Das Parlament in Den Haag hat beschlossen, bis 2040 zwei weitere Meiler zu bauen. Parallel prüfen die Niederlande die Chancen kleiner Reaktoren, der „Small Modular Reactors“ (SMR). Dafür wurde ein Budget von 65 Millionen Euro bereitgestellt. Diese Entwicklungen zeigen eine Renaissance der Atomenergie in der Benelux-Region.
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